Selbständig im Netz hat wieder zur Blogparade aufgerufen. Diesmal geht es um die Frage, ob man als Selbständiger glücklich ist — eine gute Gelegenheit, um die letzten 3,5 Jahre, die wir als Selbständige verbracht haben, einmal Revue passieren zu lassen und zu reflektieren.

Was macht glücklich in der Selbständigkeit?

Glück ist ja bekanntlich etwas sehr individuelles. Der Eine ist glücklich, wenn er beruflichen Erfolg hat. Der Andere, wenn er möglichst viel Zeit mit seiner Familie und Freunden verbringen kann. Wir gehören in die zweite Gruppe. Unsere Arbeit steht bei uns nicht an erster Stelle. So mancher ambitionierter Unternehmer wird jetzt aufschreien und denken, dass man mit dieser Einstellung doch keine erfolgreiche Selbständigkeit aufbauen kann. Doch, man kann! Das Thema Work-Life-Balance haben wir vor ein paar Wochen beim Lean Coffee Cologne unter Unternehmern diskutiert — und waren uns einig, dass es für eine erfolgreiche Selbständigkeit NICHT Gang und Gebe sein sollte, dass man auch um 22 Uhr noch EMails beantwortet. Diesen Fehler machen sicher einige Unternehmer, vor allem am Anfang. Aber mit der Zeit (und der Erfahrung) lernt man, Nein zu sagen und sich ausreichend Freizeit einzurichten.
Diese Work-Life-Balance gehört für uns zu den wichtigsten Pfeilern des Glücks. Doch es kommen noch viele Faktoren hinzu, die man als Selbständiger eher genießen kann als als Angestellter.

Zeitliche Flexibiltät
Wenn wir beim Arzt anrufen, um einen Termin zu vereinbaren, und auf die Frage, wann wir denn können, antworten: „Geben Sie mir einfach den nächsten Termin, den Sie haben, gerne auch vormittags“, zaubert das den meisten Arzthelferinnen ein erleichtertes Lächeln ins Gesicht. Wir würden auch nicht mehr auf die Idee kommen, abends oder am Wochenende in der Innenstadt einkaufen zu gehen. Das machen wir nur noch unter der Woche vormittags, und jeder Kölner wird wissen, wie viel Stress wir uns damit ersparen.
Die flexible Einteilung der Arbeitszeiten ermöglicht aber noch viel mehr als das. Auch wenn Familienplanung zur Zeit unserer Agenturgründung noch lange nicht in Sichtweite war, hat sie bei der Entscheidung zur Selbständigkeit schon eine Rolle gespielt. Anders als in Norwegen, wo die Vollzeit-Berufstätigkeit beider Elternteile üblich ist, gibt es hierzulande immer noch erhebliche Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Eltern haben z.B. oft gar nicht so viel Urlaub wie die Kinder Ferien haben. Zeitliche Flexibilität im Beruf ist also besonders dann Gold wert, wenn man eine Familie gründet. Aber auch dann, wenn man eine chronische Erkrankung hat. Wir neigen zu Kopfschmerzen und sind bei einem akuten Anfall froh, dass wir nicht von 9-17 Uhr arbeiten müssen. Das von… bis… ist dann variabel, fehlende Arbeitszeit holt man anderswo in der Woche wieder auf.

Entscheidungsfreiheit
Wir sind unser eigener Chef und treffen alle beruflichen Entscheidungen selbst. Zugegeben, eine größere Auswahl macht es nicht immer leichter. Aber es ist ein Gefühl von Freiheit, wenn man alles selber bestimmen kann. Wir können uns z.B. unseren Arbeitsplatz frei aussuchen. Im Sommer brauchen wir nicht mit Kollegen darüber diskutieren, ob die Klimaanlage eingeschaltet oder besser das Fenster geöffnet werden soll. Wenn das Wetter schön ist, entscheiden wir uns gerne für eine Tätigkeit, die man auch im Garten oder Park erledigen kann, beispielsweise das Lesen von Fachliteratur. Dann wird der Arbeitsplatz einfach in die Sonne verlagert.
Einer der größten Vorteile ist aber, dass wir uns unsere Aufträge (und damit auch unsere Kunden) aussuchen können.

Wunschkunden
Wenn man wie wir projektbasiert arbeitet, muss man nicht jeden Auftrag annehmen. Gerade am Anfang der Selbständigkeit neigt man dazu, es doch zu tun, schließlich muss man am Monatsende auch seine Rechnungen begleichen können. Diesen Fehler haben wir auch gemacht. Doch nun, wo wir um einige Erfahrungen reicher sind, können wir sagen, dass wir nur noch mit den Kunden zusammenarbeiten, wo das Bauchgefühl und die Chemie stimmen — oder anders gesagt: unseren persönlichen Wunschkunden. Denn nur, wenn Unternehmen und Kunde zueinander passen, wird die Zusammenarbeit erfolgreich sein.

Persönliche Weiterentwicklung

Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.Konfuzius

Wirklich beeindruckend an der Selbständigkeit ist die persönliche Weiterentwicklung, die man macht und machen muss. Denn die passiert eigentlich ganz automatisch. Die Selbständigkeit ist ein täglicher Kampf. Wenn man sich erfolgreich gegen Mitbewerber durchsetzen will, muss man das eigene Unternehmen ständig weiterentwickeln — und damit auch sich selbst. Wir Selbständigen haben beinahe täglich neue Herausforderungen zu bewältigen, die uns vieles abverlangen, aber uns auch wachsen lassen. Wer seine eigene Firma gründet, muss damit rechnen, Tiefschläge zu erfahren, denn in keinem Unternehmen geht es immer nur bergauf. Fallen und wieder aufstehen gehört dazu und macht uns stärker.

Und was macht unglücklich in der Selbständigkeit?

Wahrscheinlich konnte man es oben schon heraus lesen: wir sind Überzeugungstäter. Wir würden uns immer wieder selbständig machen. Dennoch würden wir es nicht jedem pauschal empfehlen, denn ob man mit der Selbständigkeit glücklich wird, hängt davon ab, ob man mit den Nachteilen leben kann, die sie mit sich bringt.

Der alltägliche Kampf mit der Selbstdisziplin
Die oben genannte zeitliche Flexibilität sowie die freie Arbeitsplatzwahl bergen ein großes Risiko, nämlich dass man sich schnell von der Arbeit ablenken lässt, statt sich auf sie zu fokussieren. Gerade wenn man im Home Office arbeitet, findet man so viele andere Dinge, die zu tun sind. Und selbst wenn man wie wir das Hobby zum Beruf gemacht hat und seine Arbeit wirklich liebt, gibt es diese Tage, an denen man wenig Lust hat.
Man kann Selbstdisziplin lernen, doch dies ist ein langer Prozess. Wir haben To-Do-Listen lange umgangen, doch die Erfahrung hat gezeigt, dass To-Do-Listen für jeden Tag und das Festlegen von Wochenzielen (z.B. mit dem weekview Planer) dabei helfen, sich aufzuraffen.

Schlechte Planbarkeit
In der Selbständigkeit kann man oft nicht über den aktuellen Monat hinaus planen. Man weiß nicht, welche Kunden nächsten Monat mit Aufträgen kommen werden oder wie viel Geld nächsten Monat auf dem Konto sein wird. Das erschwert doch manches im Leben, z.B. auch die Urlaubsplanung. Eigentlich hat man als Selbständiger ja ständig die Möglichkeit, Last-Minute-Reisen zu machen, da der Urlaub nicht erst vom Chef genehmigt werden muss. Doch was, wenn kurz vor Abreise ein spannender Auftrag kommt?

Unsere Tipps

  • Lesen, lesen, lesen
    Und hier ist nicht nur Fachliteratur gemeint! Sondern vor allem auch die Erfahrungsberichte anderer Unternehmer in Büchern oder Blogs. Daraus kann man eine Menge Inspiration für das eigene Unternehmen schöpfen. Es trägt dazu bei, dass man die eigene Firma reflektiert und herausfindet, was einen unglücklich macht und wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Die (negativen) Erfahrungen anderer Unternehmer zu kennen hilft auch dabei, den ein oder anderen Fehler zu vermeiden, den man selbst vielleicht ebenso gemacht hätte.
  • Finanziellen Puffer haben
    Sich ohne finanzielle Rücklagen selbständig zu machen, würden wir keinem empfehlen. Denn die Selbständigkeit ist sicherlich risikoreicher als ein Angestelltenverhältnis, zumindest in den ersten Jahren.
  • Möglichst gut absichern
    Beim Thema Versicherungen sollte man sich unbedingt gut informieren. Wir empfehlen, sich insbesondere zu folgenden Themen Rat einzuholen: Kranken- und Krankenhaus-Tagegeld, private Rentenvorsorge, Rechtsschutzversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Betriebshaftpflicht.
  • Regelmäßige Auszeiten nehmen
    Unabdingbar für eine ausgeglichene Work-Life-Balance sind regelmäßige Auszeiten. Diese müssen nicht zwingend erst nach Feierabend stattfinden. Man kann auch mal die Mittagspause verlängern (Stichwort: zeitliche Flexibilität 😉 ) und einen ausgedehnten Spaziergang in der Natur machen. Das ist besonders in den kreativen Berufen ein Segen, um den Kopf frei zu bekommen und neue Ideen zu sammeln.
Das Glück des Lebens besteht nicht darin, wenig oder keine Schwierigkeiten zu haben, sondern sie alle siegreich und glorreich zu überwinden.Carl Hilty